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    Gesetzliche Rente

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    Gesetzliche Rente | 17.5.2018 Drucken

    Strafgefangene: Schuld und Sühne bis zur Rente?

    Während im Strafvollzug früher ein archaisch geprägter Schuld- & Sühne-Ansatz verfolgt wurde, weicht dieser zunehmend einem umfassenden Resozialisierungsgedanken. Doch er klammert die Rente für Strafgefangene bisher aus. Eine Annäherung an ein komplexes Thema.

    Auf das Jahr 1976 datiert der Entwurf eines Gesetzes, das die Einbeziehung von Strafgefangenen in die gesetzliche Rentenversicherung regeln sollte. Dieses Gesetz gibt es aber bis heute nicht. Seinerzeit mögen im innenpolitischen Umfeld von RAF-Terror und Stammheim in der Bundesrepublik andere Prioritäten geherrscht haben. Doch mittlerweile sind über 40 Jahre vergangen. Die Frage, ob und wie Strafgefangene in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden, blieb offen.

    Arbeitspflicht ja, Rentenversicherungspflicht nein

    Nun scheint wieder Bewegung in diese Angelegenheit zu kommen. Darauf deuten verschiedene Aktivitäten, Stellungnahmen und Initiativen hin. Von der Caritas bis zu den GRÜNEN beschäftigen sich Untersuchungen und Positionspapiere damit. Auch die Bundesregierung lieferte in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage unlängst Auskunft, verzichtete jedoch auf eine klare Positionierung.

    Beschäftigungsquoten im StrafvollzugLaut Statistischem Bundesamt befinden sich in Deutschland durchschnittlich mehr als 60.000 Menschen (2015: 63.207) im Strafvollzug, inklusive Untersuchungshäftlingen und Personen im offenen Vollzug. Die meisten davon unterliegen gemäß Bundessstrafvollzugsgesetz beziehungsweise aufgrund der Strafvollzugsgesetze der Länder einer gesetzlichen Arbeitspflicht. Zudem gilt die Zuweisung und Verrichtung von Arbeit als wichtiges Mittel zu einer erfolgreichen Resozialisierung. Doch die Beschäftigungsquoten von Gefangenen in den einzelnen Bundesländern driften deutlich auseinander. So lag beispielsweise die Beschäftigungsquote in Niedersachsen bei 74 Prozent. In Sachsen hingegen arbeitete nur jeder zweite Strafgefangene (51 Prozent). Der deutschlandweite Durchschnitt betrug 62 Prozent. Derartige Unterschiede bestehen, da die entsprechenden Regelungen länderspezifisch sind beziehungsweise keine ausreichenden Aufträge oder Kapazitäten in den jeweiligen Strafvollzugsanstalten existieren. Allen verwahrten Personen gemein ist hingegen, dass sie in keinem rentenversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen. Obwohl sie arbeiten, wird ihre Tätigkeit nicht auf ihre spätere Rente angerechnet. Zudem gilt die Haft nicht als Berücksichtigungs-, Anrechnungs- oder Zurechnungszeit.

    „Selbst schuld“ – damit löst sich das Problem nicht

    So bleibt ein maßgeblicher Teil der Lebensarbeitszeit von Strafgefangenen trotz verpflichtender Heranziehung zur Arbeit letztlich für die Altersvorsorge vollkommen unberücksichtigt. Das führt zu Einbußen bei der Rente. Außerdem können Ansprüche wegen der Nichterfüllung von Wartezeiten ganz scheitern. „Selbst schuld“, könnte man meinen und Strafgefangene ausschließlich als soziale Rand- oder Problemgruppe betrachten, die durch kriminelles Handeln ihr „Schicksal“ selbst bestimmt haben. Allerdings lässt diese durchaus gängige Meinung den häufig zitierten Resozialisierungsgedanken außen vor. Zudem sind unabhängig von der Schwere der Schuld im Strafvollzug gelebte Zeiten individuelle Erwerbsbiografien. Diesen Fakt sollte eine human eingestellte und aufgeklärte Gesellschaft anerkennen und eine Regelung finden, die das Arbeitsleben von Strafgefangenen berücksichtigt.

    Gefangen zwischen Rechts- und Sozialstaat

    Die vorherrschende Begründung für das derzeitige Vorgehen klingt paradox. Sie begründet den Ausschluss Strafgefangener von der Rentenversicherung nämlich mit der fehlenden Freiwilligkeit in öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen. Diese wiederum gilt jedoch laut Sozialgesetzbuch als Grundmerkmal einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung. Somit verhindert eine gesetzlich gewollte Arbeitspflicht eine gesetzlich mögliche Rentenversicherungspflicht. Dennoch wurde dieser Ausschluss aus der Rentenversicherung vom Bundesverfassungsgericht 1998 für verfassungskonform erklärt. Obwohl beispielsweise auch im damaligen Gesetzentwurf stand, dass es gegenüber Strafgefangenen „nicht gerechtfertigt ist, neben den notwendigen Einschränkungen, die der Freiheitsentzug unvermeidbar mit sich bringt, weitere vermeidbare wirtschaftliche Einbußen zuzufügen“. Auch das Bundessozialgericht hatte im Laufe der Jahre geurteilt, dass aus der Abwicklung des Strafvollzugs „für die Zeit nach der Strafentlassung keine unterschiedlichen Folgerungen hinsichtlich der sozialen Sicherung des Gefangenen geknüpft werden dürfen“.

    Perspektiven erarbeiten – auch für die Rente

    Verdienstspannen im StrafvollzugResozialisierung im Strafvollzug zielt mit darauf ab, individuelle Perspektiven für die Zeit danach zu schaffen. Doch die derzeitige Situation klammert das Thema Altersvorsorge vollkommen aus. Viele ehemals Straffällige werden im Rentenalter auf Grundsicherung angewiesen bleiben. Selbst wenn rund 60 Prozent aller Inhaftierten arbeiten, lässt der dabei erzielte Lohn eine Altersvorsorge aus selbst verdienten Mitteln illusorisch erscheinen. So lag 2016 die Verdienstspanne von Strafgefangenen je nach Bundesland bei Tagessätzen zwischen 9,41 Euro und 15,69 Euro. Bundesweit betrug der Durchschnittsverdienst eines beschäftigten Gefangenen 12,55 Euro/Tag und 1,58 Euro/ Stunde und erreichte somit bestenfalls Taschengeldniveau. Das ist auf Dauer nicht nur ein sozialpolitisches Thema, sondern könnte sich auch zu einem innenpolitischen Problem ausweiten. Durch die gesetzlich legitimierte Nichtanerkennung von Arbeit steigt auch die Gefahr, dass ehemalige Gefangene erneut straffällig werden.

    Wer ist zuständig, wer soll das bezahlen?

    In ihrer Antwort verwies die Bundesregierung eine mögliche Neuregelung an die Bundesländer. Schließlich fungieren diese als Träger des Strafvollzugs. Man möchte dort die „Meinungsbildung abwarten“, hieß es im Bundesarbeitsministerium. Zudem „sind keine weiteren Schritte von Seiten der Bundesregierung beabsichtigt“. Gründe dafür wurden nicht angeführt. Die Länder wiederum befürchten die damit verbundenen Kosten für ihre Haushalte. Eine derartige Sichtweise ist möglicherweise mit dafür verantwortlich, dass seit über vier Jahrzehnten keine Regelung zustande kam. Allerdings würden sich die Kosten für eine rentenversicherungspflichtige Einbeziehung von Strafgefangenen durchaus im Rahmen halten. So erwarten beispielsweise BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Kosten für die Länder von jährlich 160 Millionen Euro. Der Deutsche Caritasverband prognostizierte bundesweit Kosten zwischen 170 und 186 Millionen Euro. Das Land Schleswig-Holstein zum Beispiel schätzte seine jährliche Mehrbelastung auf etwa 4,3 Millionen Euro.

    Bund und Länder sind gefordert

    Dies sind in Zeiten erheblicher steuerfinanzierter Rentenpakete des Bundes für andere Gruppen der Bevölkerung durchaus tragbare Kosten für die Länderhaushalte. Ein bloßer Verweis auf die damit verbundene fortlaufende Mehrbelastung löst das Problem nicht. Zumal es zum parlamentarischen Selbstverständnis gehört, von der Legislative eingenommene Standpunkte auch zu begründen. Das scheint auch geboten, wenn man die thematische Auswertung des Bundestagsabgeordneten Markus Kurth (Bündnis90/Die Grünen) betrachtet. Immerhin lässt sich der Bund durch sein zuständiges Fachministerium nunmehr in den entsprechenden Arbeitsgruppen der Länder vertreten. Somit könnte  doch noch Bewegung in einen seit vier Dekaden festgefahrenen Prozess kommen.

    Fazit: Wenn der Resozialisierungsgedanke im Strafvollzug Priorität besitzt, sollte dieser Anspruch auch im Hinblick auf die Rente von Strafgefangenen konsequenter gelten. In diesem Fall eben bis zum Lebensende.

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